„Am Anfang waren hier lediglich schöne helle Räume mit viel Platz! Wir haben zur Eröffnung eingeladen, aber es gab noch keine Einrichtung.“, so erzählt John Senf über die Anfänge des Tagewerks in der Vogelweide 20a. Er leitete die Einrichtung für die ersten Jahre und erinnert sich noch gut daran, wie die alsterdorf assistenz west den Zuschlag für das ehemalige Kulturhaus bekam und das tagewerk.vogelweide kurz danach 2009 eröffnet wurde.
„Unsere Idee war es, dass wir das, was wir hier tun, zusammen mit den Klient*innen entwickeln. Es ging von Anfang an darum, Beschäftigungen in der nahen nachbarschaftlichen Umgebung zu entwickeln.“ Und so wurde es dann umgesetzt. Man ging auf die Wünsche und Interessen der damals 12 Klient*innen ein. Arbeitsplätze wurden an Lieblingsecken ausgerichtet, Beschäftigungsfelder drinnen und draußen entsprechend gestaltet und dabei immer genau geschaut und beobachtet, wie es für alle passt.
Seit der Eröffnung sind 15 Jahre vergangen und das tagewerk.vogelweide blickt auf eine spannende Zeit zurück, in der sich viel entwickelt hat.
Christopher Schmitz, der das Tagewerk seit 2012 leitet, hat sich dabei sehr für die Sichtbarkeit und Integration im Stadtteil stark gemacht. Er war Gründungsmitglied der Arbeitsgruppe „Barrierefreies Barmbek-Süd“ und hat zahlreiche Netzwerke und Kooperation aus- und aufgebaut.
Mittlerweile kommen viele Aufträge direkt aus der Umgebung und bieten den heute 24 Klient*innen verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten. Diese reichen vom Stempeln, Sortieren von Lego-Bausteinen bis hin zur Gartenarbeit, zum Backen oder zum Flyer verteilen. Drei Beschäftigte arbeiten an einem Tag in der Woche in der Epiphaniengemeinde in Winterhude.
Zudem ist das Tagewerk regelmäßig mit einem eigenen Stand auf dem Barmbeker Wochenmarkt und auf dem Adventsmarkt vertreten. Hier werden eigene hergestellte Dinge und Waffeln verkauft. Sogar Konzerte mit den Musiker*innen der barner 16 wurden schon veranstaltet.
„Uns ist es wichtig, dass wir im Stadtteil zu sehen sind. Wir wollen zeigen, dass Menschen mit Behinderung auch als ein Teil der Gesellschaft etwas leisten und zurückgeben können und nicht nur hier im Tagewerk beschäftigt werden.“, so Schmitz.
Das tagewerk.vogelweide hat sich in Barmbek etabliert. Das zeigt sich auch bei der gut besuchten Jubiläumsfeier, die am 24. Oktober stattfand. Es sind viele gekommen: Klient*innen, Mitarbeitende, Angehörige, Kooperationspartner*innen aber auch, so betont Christopher Schmitz in der Eingangsrede, viele Weggefährt*innen, wie ehemalige FSJler*innen und Kolleg*innen.
Mit dabei ist Lena-Marie Maßmann, die bereits seit sieben Jahren als Heilerziehungspflegerin im Haus arbeitet und während der Veranstaltung zusammen mit Jonathan Crasemann, einem Beschäftigten aus dem Tagewerk, für den Getränkeverkauf zuständig ist. Sie sieht in ihrem Beruf eine Aufgabe mit gesellschaftlicher Verantwortung:
„Ich habe mir die Ausbildung bewusst ausgesucht. Denn komplex beeinträchtigte Menschen liegen mir besonders am Herzen. Es ist eine Personengruppe, die gesellschaftlich leider eher am Rande steht und häufig nicht gesehen wird. Ich möchte sie in dem Sinne auch im Stadtteil sichtbar machen, aber ihnen auch das Gefühl geben, dass, wenn sie herkommen und ihre Arbeit machen, da auch gesehen werden - in jeder Facette.“
Zukünftig möchte Frau Maßmann weitere Felder in ihre Arbeit integrieren und ausbauen. Besonders wichtig ist ihr dabei das Thema Pflege mit dem Fokus der Selbstwirksamkeit.
Jonathan Crasemann ist seit ca. sieben Jahren im Tagewerk beschäftigt. Angefangen hat er genau an seinem 20. Geburtstag.
„Wie bin ich in die Vogelweide gekommen? Ich habe ein Praktikum gemacht und wollte unbedingt hier arbeiten und es macht mir Spaß. Alle Mitarbeiter*innen sind sehr nett.
Ich schreddre sehr gerne. Ich backe sehr gerne und gehe super gerne dafür einkaufen. Vorher schaue ich in meinem Backbuch, welches Rezept ich ausprobieren möchte. Ich möchte in diesem Jahr alle Rezepte aus dem Buch schaffen.“
Fragt man Herrn Schmitz nach den schönen Momenten der letzten Jahre, hebt er die offene Nachbarschaft und die zahlreichen Gespräche hervor. Die Menschen kommen mittlerweile aktiv und mit Arbeitsaufträgen auf die Beschäftigten und die Mitarbeitenden zu. So soll es auch in den nächsten Jahren weitergehen.
Fotos: Philipp Engelsberg
Text: Sandra György